Es ist am frühen Sonntagnachmittag des 20. Oktober 2024, als sich in der Innenstadt nach einem halben Jahr endlich wieder die Türen an St. Reinoldi für Menschen in Not, für Obdachlose und Un-bedachte einladend öffnen. Sonnenstrahlen fallen in die Kirche, die Tische sind gedeckt und mit frischen Blumen und Kerzen geschmückt; der Kaffee ist gebrüht, Brötchen sind geschmiert worden und vielerlei Kuchen und Torten, die zum großen Teil mit Liebe selbst gebacken wurden, stehen bereit. Heute hat sich über ein Dutzend der insgesamt etwa 22 Ehrenamtlichen eingefunden, und die Freude über das Wiedersehen nach der langen Pause ist groß. Beherzt gehen alle ans Werk, geleitet von unserem Motto, dem sich das gesamte Team, jede und jeder aus der eigenen Prägung heraus, verpflichtet fühlt: „Brücken bauen und sie auch begehen, Freundlichkeit wagen, Gott in unserer Mitte.“
Verlassen wir um 15 Uhr die Sakristei und blicken in das nördliche Seitenschiff, wo sich viele Gästen versammelt haben – und es dürften im Verlauf der nächsten zwei Stunden wohl weit mehr als hundert werden –, hören wir manches frohe „Hallo“ oder „Na, endlich wieder!“, und wir schauen in Gesichter, die uns über Jahre vertraut sind: Dies ist jedes Mal ein berührender einzigartiger Moment!
Während die Gäste bewirtet werden, schließt der Pianist den Konzertflügel auf und untermalt mit meditativem Spiel das Kaffeetrinken; seine „Tafelmusik“ wird gerne gehört, und sie schafft eine besondere Atmosphäre. Ebenso beliebt ist späterhin das gemeinsame Singen, zu dem sich ein kleiner Kreis zusammenfindet; eine bunte Folge von Volksliedern, Schlagern oder Liedern aus dem Gesangbuch mündet stets in das irische Segenslied „Möge die Straßen uns zusammenführen“, und nicht selten füllen sich bei der Zeile „und bis wir uns wiedersehen, halte Gott Dich fest in seiner Hand“ bei den Sängern wie den Zuhörern an den Tischen manche Augen mit Tränen.
Während der gemeinsamen Stunden wollen wir niemals versäumen, immer wieder mit unseren Gästen ins Gespräch zu kommen, ihnen zuzuhören, nachzufragen, sie auf Hilfsangebote hinzuweisen; uns mit ihnen zu freuen, wenn sie etwas Gutes erlebt haben oder ihnen in Sorge und Trauer seelsorgerisch beizustehen – dazu bringt sich vor allem die ortsansässige Pfarrerin dankenswerterweise ein.
Gewiss können wir keine Not abwenden. Dennoch spüren wir und dürfen es an jedem unserer Sonntag hören, dass allein schon ein warmer Kaffee guttut, ein Stück Torte zum Genuss wird und unsere Gäste darüber hinaus immer wiederkommen wollen, um – gerade in diesem ehrwürdigen Kirchraum – einen Moment der Geborgenheit sowie unvoreingenommene Augen-Blicke und bedingungslose Zuwendung zu finden und eine tiefe Sehnsucht nach Schönheit stillen zu können.
Diese Erfahrungen stärken unser Team, lassen die Arbeit zu einer Bereicherung werden und uns mit dankbarer Freude auf das 25jährige Jubiläum der Obdachlosenhilfe an St. Reinoldi blicken, das wir Anfang des nächsten Jahres feiern dürfen.